01 I München - Wolfratshausen


Marienplatz (© Thomas Paul, 2012)

Wie eine Art Schutzengel schwebt die Marienstatue über dem noch in sonntäglicher Morgenruhe liegenden Platz und verziert den strahlend blauen Himmel mit leuchtenden Goldtönen. Dort, wo sich sonst unzählige Einkaufstaschen und Foto-Objektive zu einem sehr lebendigen Hindernis-Parcour versammeln, ertappe ich mich nun auch dabei, wie ich die so oft mit Unverständnis bedachte touristische Haltung einnehme und mein Blick langsam an der 11 Meter hohen Säule emporwandert.

Nur schwer kann ich mich an den Gedanken gewöhnen, dass nun eine kleine Abenteuerreise startet, bei der trotz sorgfältiger Planung und Vorbereitung doch noch einige Ungewissheiten mitreisen werden. Abgesehen von der wahrscheinlich unerfüllten Hoffnung, dass der strahlende Sonnenschein den gesamten Weg in den Süden erwärmen wird, erweist sich die realistische Einschätzung der eigenen körperlichen Kräfte als eine der größeren mentalen Herausforderungen.

Bevor sich diese Zweifel jedoch tiefer ins Bewußtsein festsetzen, mahnt der langsam erwachende Marienplatz nun sehr deutlich zum Aufbruch. Die ersten Schritte sind noch in die wohlvertraute Umgebung des Innenstadtbereichs eingebettet. Doch bereits kurz nach dem Isartor werden die Gedanken beim Anblick eines großen Outdoor-Stores auf die bevorstehenden 23.000 Höhenmeter gerichtet, die sich in 30 Tagesetappen auf insgesamt 550 Kilometer verteilen. Der Weg zur Museumsinsel ist eigentlich ausreichend, um sich die einfache Aufgabe zu stellen, schon einmal überschlagsweise den Tagesdurchschnitt zu berechnen.


Deutsches Museum, Innenhof (© Thomas Paul, 2012)

Wie gut positionierte Streckenposten erleichtern die zahlreichen wissensbewußten Besucher die Suche nach dem Weg zum Innenhof des Deutschen Museums, in dem der sogenannte Planetenweg beginnt. In einer Art Freiluftabteilung verdeutlicht hier das naturwissenschaftlich orientierte Museum die schwer vorstellbaren Entfernungen im Sonnensystem. Angesichts der dargestellten Dimensionen scheint die Wanderung von München nach Venedig ein fast mikroskopisch kleiner Spaziergang zu sein.

Noch bevor sich meine Gedanken in der Unendlichkeit des Universums verfangen, lenken die zahlreichen Jogger am rechten Isarufer meine Aufmerksamkeit wieder zurück in die Gegenwart. Dort vermischen sich die kraftvollen Wassergeräusche mit dem Straßenlärm zu einem eigentümlichen Grundrauschen. Fast so, als ob sich die sportbegeisterten Läufer vor den technischen Lärmquellen in Sicherheit bringen wollten, eilen sie den Uferweg voraus und ziehen mich mit beschleunigten Schritten aus dem städtischen Dunstkreis heraus.


Marienklausenbrücke (© Thomas Paul, 2012)

Erstaunlich schnell verflüchtigt sich dabei die Erinnerung an den Alltag und spätestens in Höhe des Hinterbrühlers Sees wird die Anwesenheit der Natur immer deutlicher spürbar. Die elegante Weite der spiegelnden Seeoberfläche öffnet die Seele für neue Begegnungen: wie wird diese Reise wohl verlaufen?

Zwar ist die Route detailliert beschrieben, doch die mehr oder weniger vagen Vorstellungen werden dann doch erst im Verlauf des Weges von der Aura der konkreten Erlebnisse überwältigt.


Hinterbrühler See (© Thomas Paul, 2012)




Großhesseloher Brücke (© Thomas Paul, 2012)




Isar-Werkkanal Großhesselohe (© Thomas Paul, 2012)



Kloster Schäftlarn, Klosterstraße (© Thomas Paul, 2012)




Isarkanal (© Thomas Paul, 2012)